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Italien ist nichts für Anfänger

Aufgeregt laufe ich im Zimmer umher, mein neues Koffermonster liegt aufgeklappt auf dem Bett. Ich habe mir den riesigen, schwarz-weiß gestreiften Schalenkoffer mit dem Zebramuster erst letzte Woche gekauft. Schuhe, Taschen, Röcke fliegen hinein und wieder hinaus. Ich kann mich einfach nicht entscheiden. Was braucht man für eine Woche Toskana? Ich nehme den grob gestrickten Ajourpullover wieder heraus, nur um ihn exakt fünf Sekunden später wieder hineinzulegen. Was ist, wenn es regnet? Außerdem ist der dunkelblaue Pulli mit den riesigen Maschen so herrlich maritim und passt so gut zu der weißen Hose! Er muss mit. Ebenso, wie das süße weiße Kleid mit den großen blauen Blumen. Und die Pumps, in blau. Mit den schwindelerregenden Absätzen. Aber sie passen so gut zum Kleid. Nur zu dem Kleid! Trotzdem. Ohne sie fahre ich nicht! Punkt. Aus. Ende Gelände.

Wenn ich nur Serlina erreichen könnte! Meine beste Freundin, Seelenverwandte und der Mensch, der mich am schnellsten auf die Palme bringt. Allerdings auch wieder herunter. Serlina oder wie ich sie nenne: Sel!

Morgen fahren wir für eine Woche in die Toskana. Mein erster Urlaub, seit über fünf Jahren. Fünf Jahre! Ich weiß schon gar nicht mehr, wie sich das anfühlt. Am Pool liegen, ein Buch lesen, italienischen Café trinken, zuviel essen, lachen, bummeln und die Zeit vergessen. Ich bin so aufgeregt wie als kleines Kind zu Weihnachten. Allerdings brauche ich jetzt hier echt mal Hilfe und Sel ist nicht da. Verdammt. Vermutlich ist ihr Akku mal wieder leer, wie so oft. Serlina ist einer der chaotischsten Menschen, die ich kenne, aber auch der Liebenswerteste. Garantiert hockt sie mal wieder seelenruhig im Café mit irgendeinem Kevin oder Marcel und kommt gar nicht auf die Idee, dass ich sie brauche. Ich wette Serlina hat noch nicht gepackt. Ich kenne sie! Sel packt morgen in aller Herrgottsfrühe, das was ihr gerade in die Finger kommt. Serlina fliegt ab Hamburg, während ich von München komme. Vor drei Jahren ist Sel nach Hamburg gezogen, wegen der Liebe – Marcel – und wegen dem Job. Der Typ ist lange weg und jeder, der Marcel kannte, hatte Serlina abgeraten. Aber so ist sie nun mal. Sie fällt immer wieder auf den gleichen Typ rein. Zum Glück hat sie den Job als Onlineredakteurin bei einem Szene Magazin behalten und sich in Hamburg ganz gut etabliert.

„Verdammt Sel, ich brauche dich hier!", fluche ich laut vor mich hin, aber es nutzt nichts. Weder meine WhatsApp, noch mein Anruf kommen durch.

Ich brauche jemand, der mir sagt, dass ich den Koffer zumachen kann und dass ich nichts vergessen habe. Außerdem besitze ich eine Kreditkarte und kann mir alles kaufen, sollte ich irgendetwas dringend brauchen.

Ich sage es mir selbst. Schließe den Koffer, wuchte ihn vom Bett.

Unterhosen, Strümpfe, Bikini, Sonnencreme, rast es mir durch den Kopf. Ich lasse mich aufs Bett fallen und zücke meine Urlaubsliste. Reisepass, Personalausweis, Allergiepass, Heftpflaster. Es ist alles da. Ich stehe auf, ärgere mich über mich selbst, weil ich mir immer so einen riesen Kopf mache. Auf dem Weg nach draußen stolpere ich über meine Flip Flops, kicke einen davon bis vor die Badezimmertür. Das ist neuer Rekord. Normalerweise schafft er es nur bis unters Bett, von wo ich ihn dann auf allen vieren mit einem Besen vorzerren muss.

Genervt, lege ich die Badeschlappen auf das riesige Koffermonster. Es ist einer dieser Rollkoffer, der so groß ist, dass er mir bis zur Hüfte reicht. Man kann ihn ziehen, schieben oder wie einen kleinen Bestelltisch neben sich herfahren, was ich besonders chic finde. Das Übergepäck, wird vermutlich teurer werden als mein Flugticket, aber das ist es wert. Ich freue mich inzwischen unbändig auf meinen Urlaub. Kleine Schmetterlinge rasen mir durch den Bauch. Nur noch einmal schlafen. Ich blicke ein letztes Mal auf mein Display, keine Nachricht von Serlina.

„Sel, du alte Kanaile!", plärr ich das Smartphone an.

Alexa meldet sich zu Wort: „Wir haben 18°C und bewölkten Himmel. Du brauchst heute keinen Regenschirm."

 

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